Jodi Bieber‘s Ausstellung 2019–2020 im Syker Vorwerk — Zentrum für zeitgenössische Kunst trägt den Titel Making Feminism. Was bedeutet nun ‚Feminismus Machen’? Die Frage ergibt sich nicht nur aus der Kenntnisnahme der Handlung, die der Titel beschreibt, also einen mit Bedeutung aufgeladenen Begriff zur Aktion zu machen, sondern auch aus dem Begriff selbst, da er eine überaus breite Bedeutung hat. Was bedeutet also Feminismus? Ganz allgemein lässt er sich als eine soziale Bewegung definieren. Er ist aber auch eine politische Haltung, genauso wie eine theoretische Positionierung und ein persönliches Anliegen. Dabei sind seine theoretischen und praktischen Auslegungen so unterschiedlich, dass es richtiger ist, über Feminismen zu sprechen.
Was aber in seinem Kern unverkennbar bleibt, ist sein Grundanliegen: die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen. Folgerichtig kann man sein Ziel definieren als die politische, wirtschaftliche, persönliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter. Zwar zeichnet sich der Begriff ‚Frau’ durch seine theoretische Komplexität aus, so dass man sich schwer auf eine ihn stabilisierende, normative Einheit einigen kann. Das Subjekt, das der Begriff kennzeichnet, erweist sich aber als äußerst konkret, genauso wie die Unterdrückung, der Frauen tagtäglich ausgesetzt sind.
Die Erkenntnis, dass Gesellschaft, Kultur und Kunst miteinander eng verflochten sind, gehört seit langem zum Allgemeinwissen. So sind feministische Anliegen — ob als politisches Programm, als kritischer Diskurs, als Identifikationskategorie, oder als persönliche Einstellung verstanden — nicht nur ein Sachverhalt höchster gesellschaftlicher Wichtigkeit, sondern auch eine Angelegenheit der Selbstermächtigung. Und diese kann als Ausgangspunkt für die künstlerische Produktion dienen.
Genau dies zeigt das Werk der südafrikanischen Künstlerin Jodi Bieber, die inzwischen zu einer der bedeutendsten Fotografen der Gegenwart geworden ist. In ihrem Werk beschäftigt sie sich mit sozial relevanten Themen und macht auf Missverhältnisse aufmerksam, sei es in Südafrika — dem Herkunftsland der Künstlerin — oder weltweit. Dabei erhebt sie stets den Anspruch, als Fotografin zu fotografieren, und zwar in einer männlich dominierten Welt. Neben der formalen Stimmigkeit und der konzeptuellen Stringenz ihrer Fotografien zeichnet sich ihre Arbeit durch ein weiteres Merkmal aus: die empathische Herangehensweise der Künstlerin beim Fotografieren, ihr Einfühlungsvermögen in das Subjekt vor der Kamera.
Jodi Bieber — Making Feminism bedeutet also eine künstlerische Beschäftigung mit Subjekten unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Die Ausstellung besteht aus drei Serien, entstanden in den letzten 14 Jahren. Es sind: Women who have murdered their husbands aus dem Jahr 2005, Real Beauty aus den Jahren 2007–2008 und Quiet aus dem Jahr 2014. Die großzugigen Räumlichkeiten vom Syker Vorwerk ermöglichen eine inhaltliche Akzentuierung und formale Neuinszenierung der Serien, die im Rahmen der Ausstellung Works on Gender in Bremen präsentiert wurden.
Der kontextuelle Rahmen der drei Serien ist die zeitgenössische Gesellschaft Südafrikas. Women who have murdered their husbands entstand aus dem Bedürfnis, Gewalt gegen Frauen im häuslichen Kontext zu thematisieren. Es handelt sich um Porträts von Frauen, die in einem Gefängnis bei Johannesburg inhaftiert sind, weil sie ihre Ehemänner getötet haben. Jodi Bieber fotografierte sowohl die Gestalt der Frauen als auch ein Stillleben mit deren persönlichen Gegenständen im Schlafsaal des Gefängnisses. Vor dem fotografischen Akt selbst führte sie Interviews mit den Verurteilten durch. Die Interviews enthüllten eine ganz andere Perspektive als die, die deren Verurteilung legitimiert. Es handelt sich um Frauen, die unter den brutalsten Bedingungen physischer und psychischer Gewalt im häuslichen Kontext zu Mörderinnen wurden.
Real Beauty beschäftigt sich mit einem anderen Umstand, dem Frauen im Allgemeinen ausgesetzt sind: den Körperidealen der Schönheitsindustrie. Ausgangspukt der Serie war die Marketing–Kampagne ‚Real Beauty’, die 2004 von der Körperpflegemarke Dove des multinationalen Konzerns Unilever lanciert wurde. Im Gegensatz zum neo–liberalen Selbstoptimierungssubtext der Kampagne mit ihrer Ideologie weiblicher Schönheit setzte sich die Künstlerin für eine selbstbestimmte Repräsentation von Schönheit ein. Sie lud Frauen ein, Bezug auf den Begriff ‚Schönheit’ zu nehmen. Nachdem sie deren Aussagen in Interviews festgehalten hatte, fotografierte Jodi Bieber die teilnehmenden Frauen in Unterwäsche und zwar in deren privaten Räumen, so dass ein Moment privater Selbstbestimmtheit im Umgang mit dem eigenen Körper entstand. Ein Moment selbstbestimmter Repräsentation weiblicher Körperlichkeit.
Das Pendant der Serie schuf Jodi Bieber einige Jahre später mit der Serie Quiet. In diesem Bilderzyklus setzte sich die Künstlerin mit der Konstruktion des männlichen Körpers auseinander. Ihr Anliegen war, die landläufigen Stereotype von Männlichkeit zu relativieren, Bilder zu schaffen, die Männlichkeit jenseits der ihr zugeschriebenen Attribute verorten. Entsprechend fotografierte sie in sich gekehrte Männer in deren Unterwäsche. Durchschnittliche Männer, die sich still und verletzlich in ihren privaten Räumen zeigen und sich dabei dem sozialen Zwang enthalten, eine Darbietung männlicher Eindeutigkeit zu liefern.
Gefördert durch
Landschaftsverband Weser-Hunte e.V., Arbeitnehmerkammer Bremen.
Jodi Bieber‘s Ausstellung 2019–2020 im Syker Vorwerk — Zentrum für zeitgenössische Kunst trägt den Titel Making Feminism. Was bedeutet nun ‚Feminismus Machen’? Die Frage ergibt sich nicht nur aus der Kenntnisnahme der Handlung, die der Titel beschreibt, also einen mit Bedeutung aufgeladenen Begriff zur Aktion zu machen, sondern auch aus dem Begriff selbst, da er eine überaus breite Bedeutung hat. Was bedeutet also Feminismus? Ganz allgemein lässt er sich als eine soziale Bewegung definieren. Er ist aber auch eine politische Haltung, genauso wie eine theoretische Positionierung und ein persönliches Anliegen. Dabei sind seine theoretischen und praktischen Auslegungen so unterschiedlich, dass es richtiger ist, über Feminismen zu sprechen.
Was aber in seinem Kern unverkennbar bleibt, ist sein Grundanliegen: die Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen. Folgerichtig kann man sein Ziel definieren als die politische, wirtschaftliche, persönliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter. Zwar zeichnet sich der Begriff ‚Frau’ durch seine theoretische Komplexität aus, so dass man sich schwer auf eine ihn stabilisierende, normative Einheit einigen kann. Das Subjekt, das der Begriff kennzeichnet, erweist sich aber als äußerst konkret, genauso wie die Unterdrückung, der Frauen tagtäglich ausgesetzt sind.
Die Erkenntnis, dass Gesellschaft, Kultur und Kunst miteinander eng verflochten sind, gehört seit langem zum Allgemeinwissen. So sind feministische Anliegen — ob als politisches Programm, als kritischer Diskurs, als Identifikationskategorie, oder als persönliche Einstellung verstanden — nicht nur ein Sachverhalt höchster gesellschaftlicher Wichtigkeit, sondern auch eine Angelegenheit der Selbstermächtigung. Und diese kann als Ausgangspunkt für die künstlerische Produktion dienen.
Genau dies zeigt das Werk der südafrikanischen Künstlerin Jodi Bieber, die inzwischen zu einer der bedeutendsten Fotografen der Gegenwart geworden ist. In ihrem Werk beschäftigt sie sich mit sozial relevanten Themen und macht auf Missverhältnisse aufmerksam, sei es in Südafrika — dem Herkunftsland der Künstlerin — oder weltweit. Dabei erhebt sie stets den Anspruch, als Fotografin zu fotografieren, und zwar in einer männlich dominierten Welt. Neben der formalen Stimmigkeit und der konzeptuellen Stringenz ihrer Fotografien zeichnet sich ihre Arbeit durch ein weiteres Merkmal aus: die empathische Herangehensweise der Künstlerin beim Fotografieren, ihr Einfühlungsvermögen in das Subjekt vor der Kamera.
Jodi Bieber — Making Feminism bedeutet also eine künstlerische Beschäftigung mit Subjekten unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Die Ausstellung besteht aus drei Serien, entstanden in den letzten 14 Jahren. Es sind: Women who have murdered their husbands aus dem Jahr 2005, Real Beauty aus den Jahren 2007–2008 und Quiet aus dem Jahr 2014. Die großzugigen Räumlichkeiten vom Syker Vorwerk ermöglichen eine inhaltliche Akzentuierung und formale Neuinszenierung der Serien, die im Rahmen der Ausstellung Works on Gender in Bremen präsentiert wurden.
Der kontextuelle Rahmen der drei Serien ist die zeitgenössische Gesellschaft Südafrikas. Women who have murdered their husbands entstand aus dem Bedürfnis, Gewalt gegen Frauen im häuslichen Kontext zu thematisieren. Es handelt sich um Porträts von Frauen, die in einem Gefängnis bei Johannesburg inhaftiert sind, weil sie ihre Ehemänner getötet haben. Jodi Bieber fotografierte sowohl die Gestalt der Frauen als auch ein Stillleben mit deren persönlichen Gegenständen im Schlafsaal des Gefängnisses. Vor dem fotografischen Akt selbst führte sie Interviews mit den Verurteilten durch. Die Interviews enthüllten eine ganz andere Perspektive als die, die deren Verurteilung legitimiert. Es handelt sich um Frauen, die unter den brutalsten Bedingungen physischer und psychischer Gewalt im häuslichen Kontext zu Mörderinnen wurden.
Real Beauty beschäftigt sich mit einem anderen Umstand, dem Frauen im Allgemeinen ausgesetzt sind: den Körperidealen der Schönheitsindustrie. Ausgangspukt der Serie war die Marketing–Kampagne ‚Real Beauty’, die 2004 von der Körperpflegemarke Dove des multinationalen Konzerns Unilever lanciert wurde. Im Gegensatz zum neo–liberalen Selbstoptimierungssubtext der Kampagne mit ihrer Ideologie weiblicher Schönheit setzte sich die Künstlerin für eine selbstbestimmte Repräsentation von Schönheit ein. Sie lud Frauen ein, Bezug auf den Begriff ‚Schönheit’ zu nehmen. Nachdem sie deren Aussagen in Interviews festgehalten hatte, fotografierte Jodi Bieber die teilnehmenden Frauen in Unterwäsche und zwar in deren privaten Räumen, so dass ein Moment privater Selbstbestimmtheit im Umgang mit dem eigenen Körper entstand. Ein Moment selbstbestimmter Repräsentation weiblicher Körperlichkeit.
Das Pendant der Serie schuf Jodi Bieber einige Jahre später mit der Serie Quiet. In diesem Bilderzyklus setzte sich die Künstlerin mit der Konstruktion des männlichen Körpers auseinander. Ihr Anliegen war, die landläufigen Stereotype von Männlichkeit zu relativieren, Bilder zu schaffen, die Männlichkeit jenseits der ihr zugeschriebenen Attribute verorten. Entsprechend fotografierte sie in sich gekehrte Männer in deren Unterwäsche. Durchschnittliche Männer, die sich still und verletzlich in ihren privaten Räumen zeigen und sich dabei dem sozialen Zwang enthalten, eine Darbietung männlicher Eindeutigkeit zu liefern.
Gefördert durch
Landschaftsverband Weser-Hunte e.V., Arbeitnehmerkammer Bremen.